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Angst vor dem Wettbewerb

Franz Rieder • Mangel vs. Sein       (nicht lektorierter Rohentwurf)   (Last Update: 20.05.2019)

Die Angst vor dem Wettbewerb scheint sich ins Unermessliche zu steigern, betrachtet man die staatsdirigistischen Maßnahmen, die zur Zeit in den großen Volkswirtschaften um sich greifen und wie in einer Art Selbstansteckung die Märkte und die Institutuionen, die zum Schutz des freien Wettbewerbs gegründet wurden, infizieren. Renationalisierung der Wirtschaft, vor allem des Kapitals und Protektionismus sind an der Tagesordnung und antworten auf die inhärenten negativen Auswirkungen der sog. Globalisierung auf die nationalen Volkswirtschaften. Mit den Versuchen der Renationalisierung von Kapital schafft Politik sich aber vor allem die vermeintliche Sicherheit, beim Versagen von polititischen Maßnahmen, allem voran der Geld- und Fiskalpolitik Durchgriff auf die Vermögen einheimischer Unternehmen, Investoren wie Privatanleger zu haben. Gleichzeitig verschaffen diese Maßnahmen einen deutlichen Bonitäts- und damit Refinanzierungsspielraum für die Politik; jedenfalls scheint es so und glaubt sie daran.

Wettbewerb hat drei große Felder, wie wir sahen. Die nationalen Rahmenbedingungen, die von der einheimischen Politik bestimmt werden. Die internationalen Abkommen, die in internationen Organisation und Gremien gesetzt werden, die aber zustimmungsabhängig sind von den nationalen politischen Institutionen. Und drittens die unternehmensinternen Möglichkeiten zur Erneuerung bzw. die Innovationskraft und -fähigkeit einzelner Unternehmen und Branchen.

Das einzige Feld auf dem die Angst vor dem Wettbewerb wächst, ist das Feld des Individuums. Auch hierin ist eine Vorstellung vom Wettbewerb verankert, gleichsam als eine Kulturfrage, die sich erschließt, wenn man nach den gesellschaftlichen, den moralischen, schlicht den menschlichen Vorbildern fragt, die mit den materiellen, durch Arbeit vermittelten Vorstellungen zusammenhängen.

The winner takes mit all, dieser universelle Selbstbetrug des zwischenmenschlichen Konkurrenzdenkens ist nicht mehr Ausdruck des alleinigen Ordnungsprinzips der Industriegesellschaft. Und damit auch nicht mehr einzige Grundlage für materielle Sicherheit und Angst. Aus dieser Zeit, die sich auch nach wie vor wie ein Paralleluniversum in der post-industriellen Zeit hält, stammt die Neigung, in Differenzierung und Vielfalt wie auch in jeder Form von unternehmensübergreifender Kooperation eine gefährliche, wenn nicht gar bedrohliche Systemstörung zu sehen.

Das System von Ein- und Unterordnung zugleich war der Stützpfeiler eine Chorgeistes von Erwerbstätigen, der teilweise bis hinein in ein Gegeneinander von Früh-, Spät- und Nachtschicht ging. Ab- bis ausgrenzender Korporatismus verhinderte, dass ein durchgängiger Wettbewerb innerhalb einer Unternehmensorganisation entstand, dessen Organigramm gleichsam wie eine klare Grenzziehung funktionierte, die abteilungsübergrefende Durchlässigkeit eher zum Spießrutenlaufen des jungen Managementnachwuchses werden ließ.

Aus diesem Denken trat jeder Gedanke eines Wettbewerbs der Arbeiter untereinander bestenfalls als eine personalpolitische Phrase heraus und erstickte sogleich an den Grenzen der internen Organisation. Damit konnte, historisch gesehen, zwar optimal das Job- und Wirtschaftwunder der frühen Nachkriegszeit organisiert werden, für einen erfolgreichen Wettbewerb reichte es nicht. Und dieser Wettbewerb vollzog sich außerhalb des Unternehmens zuerst im internationalen Wettbewerb, dann besonders in den deutschen Staatsunternehmen.

Die Angst vor dem Wettbewerber ging um und vergrößerte sich noch in der endenen Zeit der Einflussnahme auf die Wirtschaftspolitik durch die deutschen Gewerkschaften. Weder die IG Metall noch IG Bergbau und Energie konnten den Wettbewerbsverlust der deutschen Schwerindustrie aufhalten, ebenso wenig waren die meisten europäischen Staaten mit ihrer Abschottungspolitik im Bereich der Post und Telekommunikation sonderlich erfolgreich.
Große Monopole wurden zerlegt wie Rinderhälften und meistbietenden verkauft, oft, nachdem branchenfremde deutsche Konzerne Filetstücke übernommen hatten.

Das Mißtrauen gegenüber Wettbewerbern wurde durch Verhalten wie dies etwa Mannesmann beim Verkauf seiner Mobilfunksparte an Vodaphone zeigte, nicht kleiner und wandelte sich in Angst um, die sich als Wut gegenüber Konzernlenkern und dem neuen Wettbewerb gegenüber ganz generell äußerte. Inbegriff dieses neuen Wettbewerbs wurde der Vorgang der Privatisierung. Privatiserung von Staatsunternehmen und -beteiligungen sind bis heute Synonym mit satanischem Wirtschaftsgebaren, dass zwangsläufig zur Unterdrückung von Arbeitnehmerinteressen führt, Arbeitnehmerrechte aushebelt, Unsicherheit und Angst steigert.

Selbst die härtesten Konventionalstrafen von mittlerweile öffentlich recht regen Kartellbehörden haben keine Beruhigung bewirkt, im Gegenteil. Die staatliche Subventionspolitik hat sich parallel zum Wettbewerb beschleunigt und intensiviert und das Gerede über Arbeitsplatzsicherung hat einen Diskurs über den neuen, den mittlerweile weltweiten Wettbewerb zu einer semantischen Randnotiz werden lassen.

Aus Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen werden nun immer neue Grausamkeiten gengenüber Migranten und sog. Wirtschaftsflüchtlingen ersonnen und den heimischen Erwerbstätigen das Gefühl suggeriert, dass sie ihren Anteil am wirtschaftlichen Geschehen auch in Zukunft erhalten, ja durch Politik allein gesichert bekommen. Aber gegen jede ökonomische Vernunft und konträr zur wirtschaftlichen Lage wie auch der am Arbeitsmarkt, radikalisiert sich ein wachsender Teil der Beschäftigten in Europa und selbst bei aktutem Facharbeitermangel, der auch noch dramatisch zunehmen wird, ist es schwer, ein Einwanderungsgesetz politisch durchzusetzen.

Und dabei ist Wettbewerb heute keineswegs gleichbedeutend mit „Teilen“. Das Gegenteil ist der Fall. Heute ist es zunehmend üblich, dass Unternehmen auf verschiedenen Kontinenten, verschiedener und gleicher Branchen und Größenordnungen bei der Entwicklung neuer Technologie und im operative Geschäft, in Fertigung und Vertrieb zusammenarbeiten. Was früher allenfalls internationale Projekte waren, ist heute Kooperation mit Unternehmensbeteiligungen.

Homan sieht den „Wettbewerb solidarischer als Teilen“ und hat dabei aber stets die westliche post-industrielle Ökonomie im Blick. Später, in einem anderen Kontext, werden wir die Beziehung von Wettbewerb und Entwicklungsökonomien näher betrachten. Hier fokussieren wie weiter auf das Phänomen Angst innerhalb einer entwickelten Gesellschaft, die justament ihr durchschnittliches Angstniveau steigert, wenn das Beschäftigungsniveau hoch und die Überkapazitäten gigantisch sind.



Mangel vs. Sein


Wie hängt das zusammen, dass Angst zunimmt, während eine Wirtschaft ihre Bürger mit einer materiellen Vielfalt und Überproduktion versorgt, die nie reichhaltiger und größer war, also bisher?
Angst, gewiss, hat viele Gesichter. Und wir werden immer wieder auf andere Aspekte eingehen. An dieser Stelle beschäftigt uns nicht die Sorge vor Einbruch und Diebstahl, vor Migranten und Angst vor Arbeitsplatzverlust; allenfalls am Rande.
Angst wie alle anderen emotionalen Affekte entsteht nicht unmittelbar, sondern ist in einem gewissen Sinne vorbereitet. Uns geht es also hier um diese Vorbereitung, um die diskursive Formung der Angst. Jeder Werber weiß, gelingt es, ein Produkt im emotionalen Haushalt des Verbrauchers so zu verankern, das er sich den Besitz des Produktes wünscht, dann wird der Kaufreiz vor dem Regal seine Kraft unmissverständlich und scheinbar unmittelbar entfalten. Der große Streit in der Philosophie der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ging ganz wesentlich darum, welchen Stellenwert man dem Wunsch zuschreiben mochte. Es ging also um die Seinsart des Wunsches, mithin um die des Bedürfnisses – die mit der Psychoanalyse aufgekommene Diskussion über die Triebe, resp. sexuellen und anderen körperlichen Bedürfnisse bzw. Wünsche – lassen wir hier noch außen vor.

Uns geht es um die Angst im Zusammenhang mit Konkurrenz und Wettbewerb. Angst in diesem Zusammenhang gründet auf die Vorstellung von Mangel und diese Vorstellung ist sowohl fundamental wie konstitutiv. Konkurrenzdenken operationalisiert diesen Mangel auf vielfältige Art und Weise. Konkurrenzdenken ist Denken des Mangels. Die Vorstellung, dass nicht genug da ist für alle, nistet darin wie die Vorstellung, dass der andere möglicherweise besser, erfolgreicher ist, als man selbst.

Ein Mangel an Selbstbewusstsein und ein Mangel an Selbstvertrauen sind also evident. Der Mangel an Selbstbewusstsein betrifft zuerst die Vorstellung von einer faktischen Insuffizienz, einer Ohnmacht gegenüber einer annonymen, undurchschaubaren Realität, die über die Sicherung der materiellen Reproduktion des Menschen entscheidet.
Der Mangel an Selbstvertrauen verlängert den materiellen Mangel in die Vorstellung der eigenen Fähigkeiten zur Reproduktion. Reproduktion bestimmt sich in diesem Kontext lediglich als das, was man gemeinhin die Sicherung des Lebensunterhalts, die im einzelnen Fall sehr verschieden sein kann. So ist auch die Angst verschieden, je nach dem Niveau des jeweiligen Lebensunterhalts. Soziale Abstiegsängste können daher auch in ganz anderen Relation in Bezug zu anderen sozialen Gruppen stehen, je nach dem wie die Sicherung des eigenen, materiellen Alltags erlebt wird.

Der Mangel an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen deutet notwendig auf eine Vorstellung von einem Selbst hin, das sich als Individuum auf dem Arbeitsmarkt begreift und erlebt. Der individuellen Angst steht das Gefühl der individuellen Schwäche zur Seite. Hier blüht der Konkurrenzkampf als Gruppenideologie. Eine offene Auseinandersetzung mit dem Wettbewerber und auch mit den eigenen Fähigkeiten findet nicht statt. Konflikte werden eben so wenig offen ausgetragen, es herrschen Seilschaften, Flurfunk und Wegducken.

Übertragen auf Unternehmensebene zeitigt Konkurrenzdenken nicht nur Kartelle und wettbewerbsrechtswidrige Nebenabsprachen, zweifelhafte Allianzen, korporatistische Organisationen aller Coleur, Korruption, also Schmiergeld und Bestechungen aller Art, sowie verwanzten Lobbyismus, die allesamt Abkömmlinge dieser Vorstellung einer ständig auf Auseinandersetzung mit dem Konkurrenten auf dem Markt ausgerichteten und präparierten Handlungsbereitschaft sind.

Sie zeitig auch Überproduktion und ruinöse Preiskriege. Überprodution und Preisdumping sind keine Gegensätze, sondern direkte Folgen von Konkurrenzdenken, das auf der Vorstellung von Mangel beruht. Businesspläne in Großkonzernen waren oft getrieben von dieser Mangelvorstellung insofern sie immense Kapital- und Human Ressources darauf verwendeten, vermeintlich notwendige Ressourcensicherung zur langfristigen Bestandssicherung des Unternehmens zu betreiben. Besonders in der deutschen Schwerindustrie und im Energiesektor hat das System Konkurrenz die Vorstellung von der Ressourcensicherung zu schier paranoiden Dimensionen getrieben.

Das Weltbild der Energiekonzerne war nach dem Traum einer unendlichen Mangelbeherrschung von Energie durch Atomkraft derart vom neuerlichen Mangelwahn absorbiert, dass sie selbst auf die Ökonomie der erneuerbaren Energieträger überhaupt nicht gekommen sind. Jede Form von Innovation war absent. Das Weltbild entsprach dem einer vorökonomischen Zeit, als es lediglich galt, fast schon kriegerisch Ressourcen zu sichern. So wurde das System Konkurrenz zur Verfestigung eines Mangels, der Innovation und Wachstum verhinderte und sich semi-imperialistisch gerierte, wenn es um die Verteilung des Mangels ging.
Dem widerspricht keineswegs, dass die Staaten, die über die ausländischen, fossilen Energieträger verfügten, auch den Status des Eigentümers der Ressourcen inne hatten1.

Dem Mangel inhärent ist ein Denken, das glaubt, Ressourcen sind ein endlicher Kuchen, der verteilt werden muss. Nach dieser „Fixed-Pie“ Theorie ist alles auf der Welt mangelhaft weil endlich und deshalb bleibt nur, es aufzuteilen. Und meistens wird dieser Distributionszwang mit dem Gedanken einer Ethik, also einer „gerechten“ Verteilung verbunden.

Der Mangel ist also eine Sichtweise, ein Weltbild, keine Tatsache. In der Vorstellung eines Mangels gehen wir sowohl gedanklich wie sprachlich davaon aus, dass Ressourcen nur in einem begrenzten Fundus vorhanden sind und betrachten diese Vorstellung als eine universelle Tatsache. Dieses Denken, gebildet auf dem Grund eines statischen Bildes, steht im Gegensatz zu dem, was Karl Popper das Ziel jeder Unternehmerpersönlichkeit nennt, das ist, neue Felder zu entdecken, die es noch gar nicht gibt, anstatt es als vordringlichste Aufgabe anzusehen, das aufzuteilen, was schon da ist.
Nischen aufteilen und den eigenen Status absichern sind die beiden zentralen Momente der Fixed-Pie Theorie des Psychologen Detlef Fetchenhauer. Demnach erleben Menschen die Begrenztheit des „Wohlstandskuchen“, sehen diesen als bereits aufgeteilt und somit auch kein anderes Verhalten in der Zukunft, als die Absicherung ihres Wohlstands. Vorteile für Akteure des verteilten Wohlstands sind nur dann möglich, wenn ein Akteur einem anderen etwas vom Kuchen wegnimmt.

Für Fixed-Pie Vorstellungen gibt es keinen Blick hinaus über den Tedllerand, weil es nur Teller gibt. Und so wird diese Vorstellung weitergedacht, indem jedes Wachstum nunmehr keiner Gesellschaft mehr nutzt, sondern nur noch einzelnen Profiteuren, egoistischen, unfairen, halb-kriminellen, asozialen Nutznießern. In dieser Vorstellungswelt des Magels ist jedes Wachstum, jede Art von Fortschritt mit der Vorstellung einer Umverteilung konterkariert. Anstelle die eigene Situation zu verbessern, zentrieren sie sich darauf, die eigene Situation abzusichern.

Diese Einstellung und Weltsicht beharrt auch quer durch gegenläufige Entwicklungen auf sich selbst, wenn Wettbewerb und Innovation längst schon Wirklichkeit geworden sind. Sie überdauert eine Überproduktion an Nahrungsmitteln, deren täglich verkippter Teil über dem Bedarf an Nahrungsmitteln weltweit liegt. Politik, Unternehmen und moralisierende Mangel-Bürger gehen im Gleichschritt einer Umverteilungsideologie, die zugleich Abschottungs- und Ausgrenzungsideologie ist.

Umverteilungsideologie und Fremdenhass, resp. Rassismus gingen stets und gehen neuerdings wieder revanchistisch übel gelaunt gelaunt Hand in Hand. Mal als eine politische Legitimierung für ungeniert grausame Machtausübung wie z. Bsp. in der Flüchtlings- bzw. Asylpolitik derzeit. Ihre Legitimität leitet sie von da her, dass es ja hoheitliche Aufgabe sei, „gerecht“ zu teilen und dabei die eigenen Bürger, man meint Wähler, nicht zu kurz kommen zu lassen.

Das Geschäftsmodell dieser klassischen Mangel-Politik fällt, ohne mit der Wimper zu zucken, das Todesurteil europaweit über Menschen mit der Bestimmung von „Obergrenzen“ und der Einführung von Frontex. Dem unterliegt die zur Tatsache gewordene Behauptung, dass, da der Kuchen nun mal begrenzt ist und nicht für alle reichen könne, all jene „draußen“ bleiben müssen wie Hunde vor dem Supermarkt, mit denen man ja nun mal nicht teilen könne.

So geht Umverteilung in Ausgrenzung über, semantische in faktische Segregation.




Der Mangel kämpft


Die kapitalistische Kaffeetafel behauptet ihren Platz um den Wohlstandskuchen gegenüber jedem ungebetenen Gast. Die Tafel vielmehr hat sich zu einer verschworenen, hermetischen Gemeinschaft aus den USA und Westeuropa entwickelt, die mehr als die Hälfte vom Wohlstandskuchen Jahr für Jahr allein verputzt. Bereits im Jahr 1973 recherchierte der Spiegel:
„Auf eine gigantische Wohlstandskluft deutet das riesige Bruttosozialprodukt-Gefälle zwischen industrialisiertem Norden und traditionellem Süden hin. So erwirtschaftet „Südostasien mit einem Anteil von über 20 Prozent an der Weltbevölkerung nur 3,5 Prozent des Welt-BSP (Brutto-Sozialprodukt, d. V.), US-Amerika (Bevölkerungsquote: rund fünf Prozent) dagegen 28,2 Prozent“.2

Nun sitzt die VRC mit am Tisch, zwar noch am Katzentisch, rückt aber rasch weiter ins illustre Zentrum der maßgebenden Volkswirtschaften. Und das Maß imponiert als Überregulierung des Wettbewerbs und im Falle der VRC auf der bewährten Ressourcensicherung in der Dritten Welt3 durch scheinbare Wohltaten an Infrastrukturprojekten und Finanzierungshilfen für Afrika, Lateinamerika und andere Emerging Markets.

Waren in der jüngeren Vergangenheit Leistungswettbewerb und Innovation zunehmend weniger das Maß für internationale Kooperationen, hatte sich das Mittelmaß wie Mehltau über die großen Volkswirtschaften gelegt und Kooperation zu einer Überregulierungsangelegenheit entwickelt, bei dem es jedem so gut wie möglich Recht gemacht werden sollte, so entwickelte sich parallel dazu die gegenläufige Bewegung.
Konträr zur zeitweiligen Überregulierung der Finanzmärkte, vor allem der Banken, von ganzen Branchen wie Kohle, Stahl und Energie und Märkten wie etwa dem deutschen Arzneimittelmarkt, die bis hinein in die Arbeitswelt und dort in die Selbstbestimmung des Einzelnen reichte, vollzog sich mit der Digitalisierung und der Ausbreitung des World Wide Web sowie der Globalisierung des Handels, der Information, Kommunikation, des eCommerce und des eBusiness‘ deren allmähliche Veränderung hin zu offeneren Wettbewerbsstrukturen.

Der Intensivierung des Wettbewerbs wurde und wird teilweise bis heute mit den ungeeigneten Mitteln der Deregulierung begegnet. Deregulierung steht nicht in Opposition zur Überregulierung. Beides sind die Seiten einer Medallie. Wie Überproduktion der hilflose, tautologische Versuch der Mangelkompensation ist, so ist auch die Deregulierung von Märkten z.B. kein Zugewinn von qualitativem Wettbewerb sondern Konkurrenz, die sich verlängert und unkenntlich macht in ihrem schieren Wildwuchs.

Die scheinbare Opposition von Regulierung und Deregulierung, von Unter- und Überproduktion, von Inflation und Deflation u.v.m. gründen alle in derselben Falle scheinbar alternativloser Weltbilder des Mangels. Und was die Angst vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit als unbegriffene Differenzialtautologie an Szenarien von Alternativlosigkeit an einen grauen Himmel zukünftiger Erlösung wirft, ist schier unglaublich.

Wir haben schon auf die irrsinnigen Programme der FED, die unter dem verheißungsvollen Titel: Quantitativ Easing (QE) laufen, hingewiesen, die mit Helikoptergeld in riesigen Mengen auf die Wirtschaft abgeworfen eine brüchige Stabilität auf den Finanzmärkten und in der US-Wirtschaft erkauft. Der wesentliche Grund des Versuchs aber ist, dass es hier wie in Europa immer darum geht, sich „Zeit zu kaufen.“ Also die Hoffnung, mit billigem Geld den Absturz in noch tiefere volkswirtschaftliche Abgründe, wo unabsehbare Folgen des Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit keimen, auf Zeit zu verhindern.

Welches Ausmaß die Vorstellung einer Heilung einer hoffnungslos erkrankten Wirtschaft durch Aufkauf aller verfügbaren Zeitressourcen, die die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften gegenüber den USA zu verhindern versucht annehmen kann, liest und hört man täglich. Unter dem politischen Schlachtruf: „America first“ lenkt der neue US-Präsident die Geschicke der größten Volkswirtschaft der Welt, deren Handelsbilanzdefizit und deren Leistungsbilanzdefizit eine Größenordnung angenommen haben, dass man von internationaler Wettbewerbsfähigkeit auf mittlere Sicht nicht mehr sprechen kann.

Nun wird demontiert, was Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg zum eigenen prächtigen Gedeih erschaffen hat. Mit Ach und Krach rüttelt es an der internationalen Wirtschaftsordnung, die, solange sie den USA dort Raum für Weltmarktführer und Wettbewerbsgewinner bot, mit Waffengewalt verteidigt wurde; nicht nur in einem Fall.
Nun sollen so ziemlich alle Freihandelsabkommen gekündigt werden. TPP, das die transpazifischen Handelsströme frei fließen ließ, ist blockiert. Desgleichen droht der nordamerikanischen Nafta. Nur noch bilateral und zum Vorteile der US-Wirtschaft soll verhandelt und gezeichnet werden. Was so daher kommt, offenbart sein eigenes Dilemma und Versagen. Es gelte das Recht des scheinbar Stärkeren, dessen Schwund an Muskelmasse und Knochensubstanz bereits sichtbar eingesetzt hat.

Wo ist die sagenumwobene Dominanz von General Electric (GE), sind all die Geschichten von der überlegegenen, ja magischen Geschäftsführung eines Jeffrey Immelt hin? Heute sorgt GE für schlechte Stimmung an der Wall Street und der neue CEO John Flannery legt einen katastrophalen Fehlstart hin.

No more open Markets. Es sei denn, us-amerikanische Unternehmen profitieren unter allen anderen Beteiligten am stärksten. Welchen Beweis, dass sie es nötig haben, braucht es noch? Was sollen die Strafzölle auf Importe aus Mexiko und der VRC anderes, als den Wettbewerb aus diesen Ländern schwächen, weil die eigene wirtschaftliche Restpotenz droht, in die Hose zu laufen. Und um der schwindenden Virilität gleichsam im Ableben noch ein letztes Mal auf die Beine zu helfen, droht die US-Administration damit, bei Klagen vor der WTO diese gleich mit abzuschaffen.

Die antimoderne Wirtschaftspolitik weiss genau, welcher flankierender Maßnahmen es bedarf, um einen potenten Wettbewerb aus dem durchgelegenen Ehebett herauszuhalten, natürlich durch – vom Gelage her gesehen – exterritoriale Maßnahmen, die so weit gehen, das Amerika bei ihren hysterischen Sanktionsdrohungen wie z. B. gegen Russland und Iran die Grenzen zu den Rechtsordnungen selbst von langjährig befreundeten Staaten in Europa eigenmächtig und willkürlich niederreißt.

Der Übertritt jeglicher Rechtsordnung geschieht in der lauthals pronouncten Legitimität der Selbstverteidung und mit dem Revolver in der Hand werden nun nationale Deals im Duell verteidigt, wobei die Kollateralschäden im offenen, fairen Welthandel gar nicht so ungelegen kommen; Welcome Billy the Kid im Oval Office. Hier wird Wirtschaftskrieg geplant, vor allem gegen Deutschland, das stellvertretend steht für alle global agierenden und auf den Weltmärkten wettbewerbsfähigen Vorlkswirtschaften.

Der neue im Oval Office weiß, wo die Assistentinnen ihre Schwachstellen haben und wo die eigene Volkswirtschaft steht. Deren Beständigkeit braucht Schutz vor Liebhabern, vor Volkswirtschaften mit innovativen Ideen, die auf den internationalen Märkten begehrt sind. Internationale Vernetzung quer durch offene Märkte, durchlässige Grenzen zum Austausch und zur Kooperation unter- und miteinander, quasi in libidinöser Vielfalt vereint; ach wie erinnert das an die Zeiten der Kommunarden – dem gilt natürlich der Frontanangriff der sexuell Abgehängten.



Angst – Schweiß – Tränen


Wir vergessen nicht, was dieser Politik der Abschottung, des Protektionismus und Rassismus (der Chauvinisnmus gehört natürlich auch dazu) den Weg bereitete: der Rust Belt. In ihm manifestiert sich der Niedergang der US-Schwerindustrie und symbolisiert die Angst vor sozialem und materiellen Abstieg einst auskömmlicher bis wohlhabender Menschen.

Zwei Zahlen machen die US-Wirtschaft in den Augen der Administration kirre. Der mit 280 Mrd. Dollar größte Leistungsbilanzüberschuss der deutschen Wirtschaft, der größte weltweit, noch vor Japan und China. Und das dagegen stehende Leistungsbilanzdefizit von ca. 440 Mrd. US-Dollar der US-Wirtschaft. Und dabei spielt es keine Rolle, dass Amerika immer noch die führende Volkwirtschaft weltweit ist.
Die deutschen Exporte in die USA sind binnen einer Dekade um über 60% gestiegen. Die USA ist mit knapp 10% größter Abnehmer deutscher Exporte. Die Hälfte der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung geht als Ware oder Dienstleistung ins Ausland und über 110 Mrd. € fließen dabei von den USA nach Deutschland.

Die Milchmädchenrechnung des Oval Office ist, von der begrenzten Menge der internationalen Kaufkraft geht ein zu großer Anteil nicht an die USA, dem muss entgegen gewirkt werden. Mit der Aufkündigung von Nafta erschwert das Office den deutschen Autobauern, von denen viele in Mexiko für den amerikanischen Markt produzieren, den Marktzugang. Die Energiesanktionen der „Firma“ gegen Russland treffen mittelbar auch deutsche Interessen, vor allem bei Bau von Gaspipelines etc.

Die Milchmädchenrechnung basiert auf der Vorstellung, dass Globalisierung eine „Arena“ ist, wo „Nationen und ihre Unternehmen um Vorteile ringen“ und nach dem Königsweg der Konkurrenz nur einer gewinnt: The Winner takes it all.
Wenn Globalisierung für die westlichen Industrienationen prima vista bedeutete, berechenbare Abkommen, offene Märkte, fairer Leistungswettbewerb und internationale Kooperationen, dann ist die US-Politik gerade das Gegenteil dazu. Wir werden in einem anderen Kontext natürlich die Frage zu stellen haben, ob der freie Welthandel wirklich für die ganze Welt eine Win-Win-Situation darstellt, wie dies gerne bei den Protagonisten der Globalisierung gesehen wird, aber, da es den USA gerade nicht um den Kampf für die Partizipation und die Rechte der Dritten Welt am Welthandel geht, verschieben wir diesen Punkt an andere Stelle.

Die „Firma“ macht den Freihandel für die Verluste von Jobs in erheblicher Anzahl verantwortlich und für ein Loch von 500 Mrd. US Dollar durch Nafta. Dazu kämen noch Verlagerungen von Unternehmen aus den USA nach Kanada und Mexiko in erheblicher Zahl. Nimmt man dies als krude Faktizität, dann muss dennoch gefragt werden, warum das so ist und obe man etwas dadurch gewinnt, wenn man fast ein Vierteljahrhundert an Nafta negiert.

Betrachtet man allein nur die kürzlich veröffentlichten Zahlen des Councils on Foreign Relations (CFR)4 in New York, dann beläuft sich das gesamte Handelsvolumen zwischen USA, Kanada und Mexiko im Jahr 2016 auf etwas mehr als 1,1 Billionen US-Dollar, was einer Vervierfachung innerhalb von zwanzig Jahren entspricht und was Kanada und Mexiko nach der VRC zum dritt- bzw. zweitgrößten Exporteur in die USA haben werden lassen, dann wird ein wenig von dem Ausmaß deutlich, wie vernetzt Handelsnationen heute sind. Produktions-, Liefer- und Logistikketten funktionieren im globalen Handel und in der globalen Fertigung nicht mehr zentralgesteuert.

Globalisierung kann leicht zu Jobverlusten führen, allein schon durch Outsourcing von Leistungen aus den nationalen Wirtschaftsgebieten. Allein darauf geschaut verzerrt ein Gesamtbild, dass nämlich eben so leicht wie im Falle der USA zu erheblichen Wohlstandsgewinnen, zu Produktivitätszuwächsen und deutlich geringeren Verbraucherpreisen5. Scheitert Nafta sind die Wohlstandsgewinne auch weg; was für ein Unfug?
„President Trump has promised to reduce the trade deficit, though the administration’s plans remain unclear. Trump’s original suggestion, slapping high tariffs on Chinese goods, would likely be ineffective, but some economists say negotiating better access to the Chinese market for U.S. exporters could help.“(CFR)

Derselbe Autor empfiehlt, die nationale Sparrate zu erhöhen und so das Defizit zu reduzieren. Mit einem etwas schwächeren Dollar könnte dies zusammen recht schnell schon zu einer erheblichen Reduktion des Außenhandelsdefizits führen. Weniger hilfreich erscheint eine Absenkung der Unternehmenssteuern:

„In the domestic policy arena, boosting the U.S. savings rate could also bring down the trade deficit. As the International Monetary Fund and others have pointed out, one of the most direct ways to do that is to reduce the government budget deficit. Yet, observers have noted, that is unlikely, given that Trump’s budget proposal includes higher defense and stimulus spending, and a tax reform plan is likely to increase the budget deficit. Additionally, the Federal Reserve’s plan to steadily increase interest rates could, as in the past, strengthen the dollar, thus increasing the trade deficit.“(CFR)

Uns interessieren weniger die konkreten Maßnahmen als vielmehr die Beziehungen, die zwischen einerseits der Entwicklung von Im- und Exportwirtschaft und andererseits nationalem Wohlstand und Arbeitsmarkt bestehen. Der Kampf um Arbeitsplätze war und ist bis heute der zentrale politische Ansatz zur Wohlstandsverbesserung. Der Bezugspunkt war stets der nationale Arbeitsmarkt und das Pro-Kopf- bzw. Haushaltsnettoeinkommen (HNE).
Nun zeigt die Entwicklung unter globaler Betrachtung, dass etwa in den USA ein verlorener Arbeitsplatz einen Wohlstandsgewinn von 450 000 US-Dollar in Form von Produktivitätszuwächsen sowie geringeren Verbraucherpreisen verbuchen konnten. So urteilt die Bertelsmann Stiftung: „Schon die Wiedereinführung von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen in der nordamerikanischen Freihandelszone würde die amerikanische Volkswirtschaft schädigen“ und beziffert die Einbußen beim Pro-Kopf-Jahreseinkommen in den USA bei rund 0,2 Prozent beziehungsweise bzw. 125 US-Dollar.

Das klingt pro Kopf nicht viel, beziffert sich aber bei den Einbußen des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Kanada auf rund 26 Milliarden Dollar und in den USA entsprechend auf 40 Milliarden Dollar6. Aber selbst mit diesen Zahlen sind die Rechenkünstler viel zu kurz gesprungen. Denn welchen Schaden die Aufkündigung von internationalen Handelsabkommen in den anderen Industriestaaten von Asien und Europa anrichten, kennt niemand. Niemand kennt den Schaden in den Ländern der Dritten Welt und auf den Finanzmärkten, der hier wohl am größten ausfallen dürfte.

Die „Bären-Spekulaten“ prognostizieren einen Fall des Dow-Jones Index um 5000 Punkte innerhalb kürzester Zeit. Ein Horrorszenario von sog. Perma-Bullen, das aber durchaus im Bereich des Möglichen ist nach Meinung des derzeitigen Aussenministers Rex Tillerson und der ist kein irrer Crash-Fanatiker. Und der Krieg der Worte wird auch andernorts heftig geführt. Etwa in der American Chamber of Commerce, der mit Abstand einflussreichsten Lobbyvereinigung der USA. Oder in der Washingtoner Denkfabrik Eurasia Group, wo deren Chef, Ian Brenner, nach einer einseitigen Aufkündigung des Freihandelsvertrags durch die USA eine Klagewelle in den USA prophezeit, gegen die das Brexit-Chaos mit all seinen unabsehbaren Folgen für die nächsten Jahre in Großbritannien ein Kinderspiel sei.

Es sieht demnach alles so aus, dass aus dem Schweiß der US-Schwerindustrie nun Angst gewachsen ist, Angst vor einem sozialen und materiellen Abstieg, der in der Verzweiflung nach jeglicher Art von Ausweg sucht, Wegen, die kein wirkliches Ziel haben, sondern wie Sackgassen ohne Kennzeichnung sich durch die Landschaft ziehen. Und wie üblich in solch einer Situation, werden die Tränen exterritorialisiert und vor allem den Mexikanern angelastet. Dann ist es auch legitim, wenn an der südlichen Grenze der USA ein Land entstehen soll, in dem 100 Millionen Menschen allenfalls noch vom Drogenhandel leben können; wird das die US-Wirtschaft retten?



Grenzen


Grenzen. Das sind einmal die Staatsgrenzen, die das Datenerhebungsgebiet für die Ökonomik bilden, insofern sie zum Vergleichsmaßstab und zum „Nullpunkt“ für Entwicklung definiert werden. Das ist der Begriff Wettbewerb, der innerhalb dieser Grenzen bestimmt wird und ins Verhältnis zu anderen wirtschaftlichen Wettbewerbsräumen gesetzt wird. Und so ist auch Wohlstand bestimmt. Und da ist das Recht, das nur international regeln kann, was internationales Recht auch ist.

Wir haben gesehen, dass die Art des Umgangs mit Daten, die ja eine tatsächliche Situation und Entwicklung repräsentieren sollen, obsolet ist. Wäre es nicht so, dann müsste man beim Stand der Dinge die Wettbewerbsfähigkeit von Mexiko gegenüber den USA negativ beurteilen und hätte einige Probleme zu verstehen, warum das Oval Office sich derart ins Zeug legt, die Handelsabkommen mit Kanada und Mexiko zu schleifen.

Mit der Drohung Nafta aufzukündigen, trifft die „Firma“ aber nicht nur Unternehmen aus diesen Ländern. Eine ganze Reihe von ausländischen Unternehmen sind in Mexiko tätig, allen voran die deutsche Automobilindustrie. Alle, Audi, BMW, Daimler, Mercedes, Volkswagen lassen hier produzieren. Da es mit dem Handelsabkommen keine Zollgrenzen zwischen Mexiko und den USA mehr gibt, können die deutschen Autobauer günstig in Mexiko für den us-amerikanischen Markt produzieren. Über 80% der in Mexiko gefertigten Autos gehen nicht nach Deutschland, in die EU oder nach Asien, sondern in die USA. Und auch in den USA wird produziert. Bestimmte Modelle aller deutschen Hersteller für den Weltmarkt kommen aus den USA, wo über 40tsd. Mitarbeiter US-Beschäftigte deutscher Konzerne sind.

Produktions,- Beschäftigungs- und Handelsgrenzen sind nur zusammen aufzulösen. Aber wie sieht das Verhältnis aus dem Blickwinkel des Wettbewerbs aus?
Deutschland ist nach China und den USA der drittgrößte Pkw-Produzent der Welt. Im Jahr 2010 wurden 5,55 Mio. Pkw produziert. Charakteristisch an der hiesigen Pkw-Produktion ist ihre starke Exportorientierung. Während Japan, aber vor allem China und die USA stärker für das Inland produzieren, gehen von der deutschen Pkw-Produktion rund 69 % ins Ausland – die weltweit höchste Pkw-Exportquote.
Die USA sind für die deutschen Hersteller nicht allein ein wichtiger Markt, sondern mehr denn je auch ein bedeutender Produktionsstandort. Investitionen hier und internationaler Warenaustausch gehören untrennbar zusammen. Das ist die differentia specifica7, dass nicht nur Handelsgrenzen fallen, sondern auch Produktionsstandorte und Logistikketten grenzüberschreitend sich entwickeln.

Für die Wettbewerbsfähigkeit, immer gemessen an den Exportvolumina, bedeutet das einen nicht unerheblichen Vorteil, reicht aber zur abschließenden Beurteilung nicht aus. Was feststeht ist, wenn die „Firma“ beschließen sollte, dass tatsächlich mindestens die Hälfte aller Bauteile eines von Mexiko in die USA gelieferten deutschen Autos in den USA gefertigt sein muss, dann würden nicht nur die engen und weit verzweigten Produktions- und Logistikkosten gesprengt. Die deutschen Autobauer wären nicht mehr wettbewerbsfähig.

Wir erkennen hieran allein schon, dass die Qualität eines Produkts, also die in ihm verbrauchte Innovationskraft, nicht allein wettbewerbsentscheidend ist. Denn bei der e-Mobilität, den Elektroantrieben usw. hatten die deutschen Autobauer gegenüber japanischen und anderen asiatischen, aber auch französischen Herstellern deutliche Nachteile aufgebaut.

Ein weitere Aspekt, der wesentlich ist für eine erfolgreiche, global wirksame Wettbewerbsfähigkeit ist internationales Recht. Für Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit mitentscheidend ist, dass Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum besteht und diese Planungssicherheit ist in vielen Aspekten der Unternehmenstätigkeit davon abhängig, dass Rechtssicherheit herrscht. Auch für den Streitfall.
Wenn nun das Oval Office mit Nafta auch den Mechanismus der Handelskonfliklösung vor der gemeinsam akzeptierten Gerichtsbarkeit abschafft, dann fallen Planungssicherheit und Konfliktlösung ins Reich der Willkür. WTO-Chef Roberto Azevedo erinnert daran, dass eine Welt ohne eine „multilaterale Lösung von Handelskonflikten“ unweigerlich zu Handelskriegen führe. „Das wäre schlecht für alle Staaten – ohne Ausnahme.“
Und Azevedo weiß auch, dass mit der Blockade mehrer vakanter Richterstellen beim Berufungsgericht der WTO sowie der Einschränkung der Haushaltsmittel eine Politik der Handelsblocke durchaus effektiv betrieben werden kann. So effektiv, dass Wettbewerbsvorteile wieder hinter politischen Grenzen eleminiert werden.

Sowohl in der us-amerikanischen Sicherheits- bzw. Sanktionspolitik gegenüber Russland, Nordkorea und Iran wie auch bei anderen Maßnahmen der US-Sanktionspolitik hat Washington nicht nur die direkte Sachlage im Blick, wenn überhaupt. Die Nebeneffekte in der internationalen Handelspolitik sind u.E. weder zufällig noch willkürlich. Im Gegenteil, sie erscheinen mit Absicht so gewollt und geplant.

Es ist nicht schwer und braucht wenig Vorhersagekraft um sich vorzustellen, dass Sanktionen gegen Russland im Energiebereich direkte Auswirkungen auf die Beteiligung europäischer Firmen am Pipelineprojekt „Nordstream 2“ haben. So wird auch von extraterritorialen Anwendung bzw. Auswirkungen von US-Sanktionen gegen europäische Unternehmen gesprochen (Außenminister Gabriel). Und der schnell zum Rittmeister mutierende EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker drohte gar damit, notfalls „zu den Waffen zu greifen“ – und meint damit durch handelspolitische Sanktionen der Europäer gegen die USA in den Gegenangriff zu gehen.



Anmerkungen:

1 Der Ausdruck semi-imperialistisch ist unscharf. Er soll konnotieren damit, dass vor allem Großmächte ihre Einflussphären und den Zugang bzw. die Nutzung von natürlichen Ressourcen, hauptsächlich fossile Energieträger, aber auch andere nicht direkt durch imperiale Machtpolitik absicherten, sondern dies über vielfältige, machtpolitische Aktivitäten erreichten. Da ist an forderster Stelle die Militärpolitik zu nennen, z. B. Verteidigungszusagen im Angriffsfall, Lieferung militärischer Ausrüstung und Waffen etc.

2 Der Spiegel vom 03.12.1973

3 Hier vor allem die Sicherung von Rohstoffen, Edelmetallen bzw. Commodities und Transportzugänge, Häfen, Seewege etc.

4 Vgl: CFR Webseite CFR.

5 Vgl. Peterson Institute for International Economics (PIIE) in Washington Webseite PIIE.

6 Nach Berechnungen des Münchener Ifo-Instituts für die Bertelsmann Stiftung.

7 Differentia specifica steht für den "eigentümlichen Unterschied" - hier nach der Art des Wettbewerbsunterschiedes.



Foto: monika m. seibel www.photographie-web.de



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